"Das wär's, Domergue. Du bleibst hier. Keiner wird sich mehr an dich erinnern. Kannst hier verrecken und deine morschen Knochen in der Sonne bleichen lassen."
Sonne? Welche Sonne? Im Moment fegte ein gewaltiger Schneesturm über die Hochebene und ließ die Knochen bei -20 Grad gefrieren. Der Sheriff hatte sie gerade eben in Ketten aus dem Shuttle gezerrt und beiläufig auf die Knie geworfen. Jetzt nahm er ihr das Metall ab und grinste breit: "Viele Jahre wollte ich dich am Strick baumeln sehen. Aber jetzt, wo wir hier sind, gefällt mir das Urteil des Richters immer besser." Er genehmigte sich einen Schluck Whiskey aus einem Flachmann. "Ah, das wärmt so schön. Hättst bestimmt auch gern 'nen Schluck, was? Is ja kein Problem. Die Hütte da vorne steht voll und ganz zu deiner Verfügung. Brauchst nur ein wenig Feuerholz. Wächst einiges hier in der Gegend. Und wenn du genug davon zusammen hast, kannste dir selbst 'nen Whiskey brennen, harharhar."
Die Deputies des Sheriffs fielen in seine dreckige Lache ein und klopften sich gegenseitig auf die Schulter.
Daisy Domergue war von der Aussicht nicht sehr angetan. Eine zumindest winddicht erscheinende Blockhütte, ein Stall und ein Klohäuschen waren vortan ihr neues zu "Hause".
Sie warf dem Sheriff einen giftigen Blick zu.
Der ließ sich nicht beeindrucken und machte genüsslich weiter mit seiner Vorstellung. Er warf seiner Gefangenen einen Klappspaten zu und erklärte seine Handhabe: "Mit diesem Multifunktionsgerät kannst du ein wenig im Boden rumwühlen und nach Krypton graben. Oder auf Bäume draufdreschen, damit die Äste als Feuerholz abfallen. Und eine prima Waffe gegen Kojoten und Wölfe ist dieses Teil auch. Also beschwer dich nicht über die Güte und Weitsicht des Richters, der dich dazu verknackt hat, in diesem öden, dreckigen Loch abzusteigen. Du hast 'ne reele Chance, 20, 30 Jahre zu überstehen, wenn du's klug angehst. Und ein paar Erdferkel und Wildkatzen werden dir Gesellschaft leisten, da wird dir wenigstens nicht langweilig. Sollen übrigens ganz hervorragend schmecken."
"Sheriff, meine Brüder werden mich hier rausholen, und dann werden wir dich finden und am höchsten Baum aufknüpfen. Darauf kannste Gift nehmen, und deine Deputies hängen wir gleich daneben. Habt ihr verstanden, ihr Sackgesichter? Jeden von euch werden wir kriegen, und dann werdet ihr nach Mama schreien, aber die hilft euch dann nicht mehr aus der Patsche."
Die kleine Polizeieinheit schritt bereits wieder die Shuttle-Rampe hinauf. Der Sheriff drehte sich noch einmal mit einem breiten Grinsen um. "Nicht vergessen: Immer schön buddeln, das hält warm und ist gesund." Grölend quetschten sich ihre Bewacher ins Schiff, die Luke schloss sich, und die Maschine hob in einer Wolke aus Schnee und heißem Wasserdampf ab, der schon bald in Form von Eisklümpchen auf Daisy herabhagelte.
Sie verharrte noch eine kurze Zeit, bis das Schiff in die dichte Wolkendecke stieß und nicht mehr zu sehen war. Dann wandte sie sich fluchend zur Hütte um, und tat, was sie immer tat, wenn sie nichts besseres zu tun hatte: Sie schmiedete Pläne, in diesem Fall Rachepläne.
Aber erst mal die praktischen Belange: Feuerholz und Wasser waren vorhanden, Nahrung ließ sich finden oder jagen, und die Luft war sauber und frisch. Als nächstes würde sie sich daran machen, einen Grundstock aus Krypton und Titan zusammenzusammeln, das gab's zumindest überall auf bewohnbaren Planeten der M-Kategorie. Nur das Iridium machte ihr Sorgen: Ziemlich selten, das Zeug. Aber dann fiel ihr Blick auf die tannenähnlichen Bäume, und sie wusste, dass sie alles erreichen konnte, was sie sich vornahm. Kohlenstoff würde es auch tun. Zwar war die Bearbeitung etwas schwieriger als bei Iridium, aber wenn sie es richtig anstellte, hätte sie am Ende eine beachtliche Sammlung an Carbon-Nanoröhrchen, die zusammengesetzt einen prächtigen Panzer abgaben. Gute alte Technik. Selbst ein Hightech-Plasmawerfer biss sich an dem Zeug die Zähne aus und würde Stunden brauchen, um sich durch eine nur ein Zoll dicke Carbonschicht zu brennen.
Der Plan stand, ran an die Arbeit!